Viele Unternehmen, insbesondere im Hotel und Gaststättengewerbe haben eine Betriebsschließungsversicherung oder Betriebsausfallversicherung abgeschlossen – mit der Hoffnung in einer Ausnahmesituation wie der vorliegenden finanziell abgesichert zu sein. Doch gerade jetzt lehnen viele Versicherer ihre Einstandspflicht ab. Oftmals erfolgt statt einer Auszahlung lediglich ein „Vergleichsangebot“, welches den Unternehmen, nur einen Bruchteil der Entschädigung zuspricht. Sollten Unternehmen diese Vergleichsangebote dennoch annehmen oder lohnt sich eine Durchsetzung des ursprünglichen Regulierungsanspruches?
Besteht eine Einstandspflicht im Falle der Corona-Pandemie?
Entscheidend für die Frage, ob eine Einstandspflicht des Versicherers besteht sind die jeweiligen Versicherungsbedingungen im konkreten Einzelfall, bei denen es große Unterschiede geben kann. Zum einen gibt es Versicherungsbedingungen, welche sehr klar und eindeutig formuliert sind. Dies gilt sowohl für Fälle, in denen eine Einstandspflicht offensichtlich vorliegt, als auch für Fälle, in denen eine Einstandspflicht von vorne hinein eindeutig ausgeschlossen ist. Im erstgenannten Fall gibt es auch Versicherungen, welche anstandslos ihre Versicherungsleistungen erbringen – auch dies soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Daneben gibt es auch Versicherer, welche anhand eines klar verständlichen Ausschlusses in Versicherungsbedingungen eine Leistung zu Recht ablehnen.
Andererseits gibt es jedoch auch eine ganze Reihe von Versicherern, welche Versicherungsbedingungen verwenden, die gerade nicht eindeutig formuliert sind und eine Einstandspflicht dennoch mit Bezug auf diese Versicherungsbedingungen ablehnen. In diesen Fällen sollte man nicht leichtfertig auf seine Ansprüche verzichten und sie genauer prüfen lassen. Die konkrete Regelung in den Versicherungsbedingungen bedarf nämlich einer Auslegung, wobei zu bedenken ist, dass Zweifel bei der Auslegung einer Klausel in diesem Fall zulasten des Versicherers gehen – NICHT zulasten des Versicherungsnehmers (vgl. § 305c Abs. 2 BGB).
Argumente für Ablehnung meist nicht stichhaltig
Insbesondere vor diesem Hintergrund überzeugen die ablehnenden Argumente der Versicherer meist nicht. In vielen Fällen argumentieren die Versicherer damit, dass die Betriebsschließung nicht aufgrund einer konkreten behördlichen Anordnung erfolgt ist, sondern lediglich auf einer Allgemeinverfügung beruht. In den wenigsten Fällen findet sich ein solcher Ausschluss jedoch explizit in den Versicherungsbedingungen. Vielmehr ist meist die Rede von einer behördlichen Anordnung zur Verhinderung der Ausbreitung einer (meldepflichtigen) Krankheit oder ähnlichem. Unter einer solchen behördlichen Regelung kann man aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung zum Ergebnis kommen, dass auch Allgemeinverfügungen hiervon erfasst sein sollen.
Ebenso wenig überzeugend ist die Argumentation der Versicherer, wonach eine Betriebsschließung aus generalpräventiven Gründen grundsätzlich keinen Versicherungsfall auslösen soll. Oft wird behauptet, versichert seien lediglich die Fälle, in denen vom geschlossenen Betrieb selbst eine Gefahr ausgeht, dieser also als Störer in Anspruch genommen wird. Ein solcher Grundsatz ist jedoch in keiner der uns bekannten Versicherungsbedingungen ausdrücklich geregelt oder auch nur angelegt.
Oftmals wird auch damit argumentiert, dass das Corona-Virus nicht den Versicherungsbedingungen aufgeführt ist. Da es sich hierbei um ein neuartiges Virus handelt, liegt es natürlich auf der Hand, dass es explizit weder in den Versicherungsbedingungen noch in den §§ 6 oder 7 IfSG aufgeführt ist, worauf einige Versicherungsbedingungen verweisen. Diese Argumentation ist aufgrund der neu erlassenen „Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus („2019-nCoV“)“, welche die Meldepflicht ausdehnt sowie aufgrund des Auffangtatbestandes nach § 7 Abs. 2 IfSG kaum haltbar.
Schließlich wird auch darauf verwiesen, dass überhaupt kein Fall einer Betriebsschließung (oder zumindest keine „Vollschließung“) bestehe. Dies sei laut Argumentation der Versicherer etwa der Fall, wenn ein Restaurant nun (vorübergehend) einen Lieferdienst oder Take-Away-Service anbietet oder wenn einem Hotel „lediglich“ die Beherbergung von touristischen Gästen, nicht jedoch von Geschäftsreisenden untersagt wird. Auch diese Argumentation greift zu kurz: In den meisten Fällen dürfen Restaurants und Hotels ihre eigentlichen Leistungen nicht mehr erbringen. Faktisch kommt die aktuelle Situation einer vollständigen Betriebsschließung oftmals gleich – insbesondere wirtschaftlich betrachtet.
„Hilfsangebot“: sofortige Zahlung von 10-15% statt der vollen Summe
Obwohl die ablehnenden Argumente der Versicherer also kaum stichhaltig sind, wird eine Leistung zumeist entweder komplett abgelehnt oder es wird ein Vergleichsvorschlag unterbreitet. Dieser teilweise ironischerweise als „Hilfsangebot“ betitelte Vorschlag sieht meistens eine Zahlung von 10-15 % der eigentlich im Versicherungsvertrag vereinbarten Tagessumme für die Dauer der (oftmals) maximal versicherten Schließungszeit von 30 Tagen vor – selbstverständlich nur „aus Kulanz“, „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht“ und gegen Abgabe einer „Abfindungserklärung“, wonach auf alle weiteren Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung verzichtet werden soll.
Angeblich sei dieser Vergleichsvorschlag mit übergeordneten Verbänden abgesprochen sei, was jedoch oftmals nicht der Fall ist. Begründet wird die geringe Summe i.H.v. 15 % damit, dass der Versicherungsnehmer ca. 70 % des wirtschaftlichen Schadens ohnehin abwenden könne, etwa durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld, Soforthilfen und ersparter Aufwendungen für Material. Von den verbleibenden 30 % übernimmt die Versicherung sodann die Hälfte, da derzeit eine ungeklärte Rechtslage bestehe und ein Rechtsstreit vermieden werden solle.
Achtung: kein Kurzarbeitergeld bei Inanspruchnahme einer Betriebsschließungsversicherung
Ob die Annahme eines solchen Vergleichsangebotes dennoch wirtschaftlich sinnvoll kann, ist eine Entscheidung des konkreten Einzelfalles. So muss jeder Unternehmer selbst abwägen, ob in der derzeitigen Ausnahmesituation die sofortige Zahlung einer (wenn auch geringen) Versicherungssumme mehr helfen kann, als die Durchsetzung eines vollständigen Anspruches.
Zu bedenken ist weiterhin, dass die Inanspruchnahme einer Betriebsschließungsversicherung auch einen Einfluss darauf haben kann, ob staatliche Zuschüsse – insbesondere Kurzarbeitergeld – gewährt werden. So teilt die Bundesagentur für Arbeit betroffenen Unternehmen derzeit in einigen Fällen mit, dass die Gewährung von Kurzarbeitergeld abgelehnt wird, wenn eine Betriebsschließungsversicherung in Anspruch genommen wurde.
Auch im Falle der Annahme eines vorliegenden Vergleichsangebotes des Versicherers sollte geprüft werden, ob dies möglicherweise einen negativen Einfluss auf die Gewährung staatlicher Fördermittel haben kann. Es empfiehlt sich daher in jedem Fall sehr genau abzuwägen, welche Ansprüche geltend gemacht werden sollen und ob die Annahme des Vergleichsangebots wirklich den Interessen des Unternehmens entspricht.
Wir stehen Ihnen bei Fragen rund um die Inanspruchnahme einer Betriebsschließungsversicherung sowie der Durchsetzung Ihrer Ansprüche im Falle eines ablehnenden Bescheides gerne zur Verfügung. Sie erreichen uns unter 0681 92675-0 oder jederzeit über das nachfolgende Kontaktformular.
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